Fall 8: Zweitveröffentlichung eines von einem ausländischen Forscher im Ausland erstpublizierten Textes
Fallbeispiel:
Ein ausländischer Forscher publiziert zuerst im Ausland und wird für eine zweite Veröffentlichung des Textes in Deutschland angefragt, beispielsweise in einem Sammelband oder in einer Open Access-Zeitschrift.
Wir legen Ihnen dar, wie in einer solchen Situation die grundsätzliche Rechtslage geregelt ist, sowie für wen dabei das deutsche Urheberrecht und speziell das Zweitverwertungsrecht gilt. Zudem betrachten wir Besonderheiten für Nicht-EU-Angehörige sowie für Miturheber mit unterschiedlicher Staatsangehörigkeit und beleuchten die Frage, welche Werke geschützt sind, sowie die Bedeutung der Bearbeitung eines Werkes, des Verlagssitzes sowie die Situation für Ausgaben und Lichtbildern.
Grundsätzliche Rechtslage
Wie ist die Rechtslage?
Hier macht es grundsätzlich keinen Unterschied, ob die Zweitveröffentlichung in einem gedruckten Sammelband oder in einer Open Access-Zeitschrift stattfinden soll. Zu beachten sind immer die Rechte des Urhebers und die Rechte eines Verlages, der mit dem Urheber einen Vertrag hat. Das eine betrifft das sogenannte Urheberrechtsstatut, das andere das Vertragsstatut.
Geltungsbereich des deutschen Urheberrechts-Gesetzes
Gilt das deutsche Urheberrechts-Gesetz auch für ItalienerInnen, SpanierInnen, PortugiesInnen und FranzösInnen?
EU- und EWR-Angehörige sind gegen Verletzungen des Urheberrechts an ihren Werken auf deutschem Boden wie deutsche Urheber geschützt. ItalienerInnen, SpanierInnen, PortugiesInnen und FranzösInnen genießen den deutschen urheberrechtlichen Schutz für alle ihre Werke - gleichviel, ob und wo die Werke erschienen sind. Dies gilt genauso für Staatenlose und Flüchtlinge, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Eine Diskriminierung von EU-AusländerInnen wäre mit dem EG-Recht nicht vereinbar. [1]
Zweitverwertungsrecht
Kann ein Beitrag, der bei einem ausländischen Verlag in einem Sammelwerk veröffentlicht wurde, gemäß dem deutschen Zweitverwertungsrecht aus § 38 IV UrhG öffentlich zugänglich gemacht werden?
Diese Frage kann nicht pauschal beantwortet werden, da sie von vielen Einzelfaktoren abhängt. Im Grunde geht es darum, welches Gericht wie über eine Urheberrechtsverletzung entscheiden würde, wenn ein im Ausland erschienener Beitrag ein zweites Mal in Deutschland erscheinen würde, möglicherweise sogar weltweit, wenn er im Internet erscheint.
Legt der ausländische Verlag Klage bei einem deutschen Gericht ein, ist nicht klar, ob das Gericht die Klage abweisen wird. Denn ob der Urheber (oder das Repositorium) sich auf das deutsche Zweitverwertungsrecht berufen kann, unabhängig davon, ob der Beitrag in einer ausländischen Sammlung erschienen ist, ist nicht sicher geklärt.
Legt der ausländische Verlag Klage bei einem ausländischen Gericht ein, was meist so kommen wird, dann ist das jeweilige ausländische Recht relevant und es kann ebenfalls nicht pauschal gesagt werden, ob der Urheber (oder das Repositorium) sich auf das Zweitverwertungsrecht berufen kann.
Insbesondere bei einer Veröffentlichung im Internet ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Urheber (das Repositorium) dem Verleger das Zweitverwertungsrecht nicht entgegenhalten kann, da auch eine Verletzung im Ausland und nicht nur in Deutschland vorliegt.
UrheberInnen, die nicht der EU angehören
Was ist mit UrheberInnen, die nicht der EU angehören?
Wenn Nicht-EU-Angehörige ausnahmsweise den Schutz nach dem UrhG beanspruchen kann, dann gilt das deutsche UrhG in vollem Umfang, also sowohl hinsichtlich des Schutzumfangs als auch hinsichtlich der Schutzdauer.
Den vollen Schutz des UrhG genießen sonstige ausländische UrheberInnen (UrheberInnen, die nicht der EU angehören) sowie Staatenlose und ausländische Flüchtlinge zunächst für diejenigen ihrer Werke, die erstmals in Deutschland erschienen sind. Diesen gleichgestellt sind Werke, die binnen 30 Tagen nach dem erstmaligen Erscheinen im Ausland in Deutschland erscheinen.
Entscheidend dafür ist, dass das Werk im Inland der Öffentlichkeit angeboten oder in Verkehr gebracht wird. Eine Herstellung der Vervielfältigungsstücke im Ausland ist nicht relevant.
Ob das Werk zuvor im Ausland erschienen ist, beurteilt sich jedoch nach dem deutschen Begriff des Erscheinens: Ein Werk ist erschienen, wenn mit Zustimmung der RechteinhaberInnen Vervielfältigungsstücke des Werkes nach ihrer Herstellung in genügender Anzahl der Öffentlichkeit angeboten oder in Verkehr gebracht worden sind. Nicht entscheidend sind dagegen eine Veröffentlichung und auch nicht Vervielfältigungshandlungen, welche das Erscheinen lediglich vorbereiten. Eine Veröffentlichung liegt vor, wenn das Werk mit Zustimmung der RechteinhaberInnen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist. Sonstige ausländische UrheberInnen genießen den Schutz durch das UrhG auch dann, wenn ihr erstmals in Deutschland erschienenes Werk als Übersetzung erschienen ist, denn mit der Übersetzung ist zugleich auch das ursprüngliche Werk erschienen.
Liegen die genannten Voraussetzungen nicht vor, so kommen Nicht-EU-Angehörige nur in dem Umfang in den Genuss des deutschen UrhG, in dem sich dies aus den entsprechenden Staatsverträgen ergibt. Dafür müssen diese Mitglied des Staatsvertrages sein.
Der wichtigste Vertrag ist die Revidierte Berner Übereinkunft. Nach Art. 5 Abs. 1 RBÜ erstreckt sich die sogenannte Inländerbehandlung auf alle Werke, die in den sachlichen Anwendungsbereich der RBÜ fallen, also auf alle veröffentlichten und unveröffentlichten Werke, deren UrheberInnen einem RBÜ-Verbandsland angehören oder dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, sowie auf solche Werke, deren UrheberInnen zwar keinem RBÜ-Verbandsland angehören, die jedoch in einem solchen entweder erstmals oder gleichzeitig (d.h. innerhalb von 30 Tagen nach ihrer ersten Veröffentlichung in einem anderen Land) veröffentlicht werden. Die meisten Länder Süd- und Mittelamerikas sind Mitglieder der RBÜ.
Inländerbehandlung ist der Schutz durch alle gegenwärtigen und künftigen Normen des Urhebergesetzes, die Inländern zugutekommen.
Eine Verpflichtung zur Inländerbehandlung ergibt sich seit dem 1.1.1996 darüber hinaus aus dem Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS), das als Anhang zum Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO) in das GATT einbezogen ist (zum aktuellen Mitgliederstand vgl. die Website der WTO, www.wto.org: 160 Mitglieder, Stand 26.6.2014).
Unterschiedliche Staatsangehörigkeit von MiturheberInnen
Was ist, wenn ein Miturheber eine andere Staatsangehörigkeit hat als eine andere Urheberin?
Ist ein Werk von MiturheberInnen gemeinsam geschaffen, so genügt es für die Behandlung der UrheberInnen nach den EU-Grundsätzen, wenn eine Miturheberin bzw. ein Miturheber ItalienerIn, SpanierIn, PortugiesIn oder FranzösIn ist. Dies gilt jedoch nicht für Werkverbindungen, bei denen einzeln geschaffene Werkteile nur gemeinsam verwertet werden, wie bspw. bei Text und Illustration von verschiedenen Urhebern. Bei diesen behält jeder Teil seine urheberrechtliche Selbstständigkeit. Entsprechendes gilt schließlich für Sammelwerke. Bei diesen ist das Sammelwerk als selbstständiger Schutzgegenstand von den einzelnen in die Sammlung aufgenommenen Beiträgen zu unterscheiden und die Anwendbarkeit des UrhG für jeden einzelnen Schutzgegenstand gesondert festzustellen.
Bedingungen des Schutzes
Welche Werke sind geschützt?
EU-Angehörige genießen den Schutz des UrhG für alle ihre Werke, und zwar unabhängig davon, ob diese überhaupt erschienen sind, sowie unabhängig davon, ob sie in Deutschland oder im Ausland erschienen sind. Unbeachtlich ist auch, ob und in welchem Umfang den Werken der ItalienerInnen, SpanierInnen, PortugiesInnen und FranzösInnen ansonsten Schutz nach den Staatsverträgen zu gewähren wäre.
Bearbeitung eines Werks
Was ist, wenn eine oder ein EU-BürgerIn ein Werk bearbeitet?
Bei Bearbeitungen sind das bearbeitete Werk und die Bearbeitung als jeweils selbstständige Schutzgegenstände zu unterscheiden. So kann die Bearbeitung den Schutz des deutschen UrhG genießen, ohne dass das bearbeitete Werk in Deutschland geschützt ist. In einem solchen Fall darf das bearbeitete Werk in Deutschland frei verwertet werden, nicht jedoch die Bearbeitung. Kommt umgekehrt die Bearbeitung nicht in den Genuss des UrhG, wohl aber das bearbeitete Werk, so ist auch die Bearbeitung in Deutschland zumindest soweit durch das UrhG geschützt, als ihre Verwertung zugleich eine Verwertung des bearbeiteten Werkes darstellt. Ob der Urheber sein Recht an den Verlag abgetreten hat, ist dann eine andere Frage.
Verlagssitz
Was ist, wenn der Verlag anderswo als in Deutschland seinen Sitz hat?
Entscheidend ist immer die Staatsangehörigkeit des ursprünglichen Urhebers, nicht diejenige des jeweiligen Inhabers von Nutzungsrechten oder Rechtsnachfolgers.
Ausgaben und Lichtbilder
Was ist mit wissenschaftlichen Ausgaben und einfachen Lichtbildern?
Auch wissenschaftliche Ausgaben und einfache Lichtbilder von AusländerInnen sind nach dem Urheberrecht geschützt.
Allerdings bestehen für den Schutz wissenschaftlicher Ausgaben ebenso wie für nichtschöpferische, einfache Lichtbilder keine internationalen Konventionen.
Innerhalb der EU gilt jedoch trotz fehlender Harmonisierung des Schutzes wissenschaftlicher Ausgaben und einfacher Lichtbilder das allgemeine Diskriminierungsverbot.
Sonstige ausländische VerfasserInnen wissenschaftlicher Ausgaben und ausländische Lichtbildner genießen lediglich den urheberpersönlichkeitsrechtlichen Schutz der §§ 12–14 UrhG. Sie genießen den Schutz in Deutschland im Übrigen nur für diejenigen Ausgaben bzw. Lichtbilder, die erstmals – oder spätestens 30 Tage nach Erscheinen im Ausland – in Deutschland erschienen sind.
[1] Siehe auch dazu den entsprechenden Abschnitt in unseren grundlegenden Ausführungen.